In den späten 80er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde im Bereich Kardiologie entdeckt, dass die gesundheitlichem Symptome und Verläufe bei herzkranken Frauen und Männer unterschiedlich waren. Dementsprechend wurden damals auch geschlechtsgerechte Behandlungen entwickelt. Mittlerweile erstreckt sich diese geschlechtsspezifische Medizin auf alle Bereiche der Gesundheit und ist ein wichtiger Aspekt in der gesellschaftlichen Gleichstellung der Frau.
Österreichs erste Professur für Gender Medicine wurde 2010 an der MedUni Wien geschaffen. Lehrstuhlinhaberin Dr.in Alexandra Kautzky-Willer bekam 2018 den Preis für medizinische Wissenschaften der Stadt Wien.
Wien war hier einmal mehr Vorreiter. Bereits 1998 beschloss der Wiener Gemeinderat die Gründung des Wiener Programms für Frauengesundheit. Dadurch setzte die Stadt Wien einen ersten Schritt in Richtung einer frauengerechteren Gesundheitsversorgung und -information.
Wiener Programm für Frauengesundheit
Gleichberechtigung ist ein starkes Thema im Gesundheitsbereich. Zahlreichen Projekte basieren seit 1998 auf den Grundlagen „Chancengleichheit für Frauen und Männer in Gesundheit und Sozialem“ und „Unterstützung von benachteiligten Zielgruppen in Gesundheitsbelangen“.
Die psychische und physische Gesundheit von Mädchen und Frauen in unterschiedlichen Lebensphasen steht dabei im Vordergrund.
Wichtig dabei sind auch gesellschaftliche, soziale, gesundheitliche und psychische Aspekte, die hier Beachtung finden. Neumodische Erscheinungen unserer Zeit, die Frauen und jungen Mädchen den perfekten Körper verkaufen und dementsprechenden Druck aufbauen, sind bei dem Wiener Frauengesundheitsprogramm genauso Thema wie die Folgen sozialer Ungleichheit auf die Gesundheit.
Soziale Ungleichheit macht krank – davon sind vor allem Frauen betroffen. In Wien sind mehr Frauen als Männer armutsgefährdet (Wiener Gleichstellungsmonitor, 2014). Auch dieser Entwicklung treten wir mit unserem Programm entgegen.
Health Literacy
Beim Thema Frauengesundheit spielt die Wissensbildung zur Gesundheitskompetenz (Health Literacy) eine große Rolle: Damit meinen wir die Fähigkeit des Einzelnen, im täglichen Leben Entscheidungen zu treffen, die sich positiv auf die Gesundheit auswirken – zu Hause, am Arbeitsplatz, im Gesundheitssystem, im Markt, in der Politik und in der Gesellschaft im allgemeinen.
FGM
Ein neues Phänomen im Bereich Frauengesundheit ist die weibliche Genitalverstümmelung. Sie ist zwar in Österreich strafrechtlich verboten, dennoch haben wir besonders in Wien viele Mitbürgerinnen, die aus Ländern kommen, in denen dies noch praktiziert wird. Das stellt oft MedizinerInnen und Pflegepersonal vor Herausforderungen bei der Behandlung von Folgeerscheinungen. Die Stadt Wien leistet auch hier mit ihrem Programm massiv Aufklärung gegenüber (möglichen) Betroffenen.
Unter Leitung des Wiener Programms für Frauengesundheit trifft seit 2007 regelmäßig ein interdisziplinärer Beirat zusammen. Ihm gehören Vertreterinnen und Vertreter von Gesundheitsberufen, NGOs sowie Magistratsabteilungen an. Sie tauschen sich zu den Themen FGM-Beratung und -Prävention aus.