Lieber Wienerinnen und Wiener ...
Der 2. November war ein lauwarmer Abend, an dem sich viele Menschen im Freien in den Schanigärten aufgehalten haben, um nochmals vor der anstehenden Schließung der Restaurants unbeschwert zu essen und zu trinken. Gegen 8 Uhr erreichte uns alle die Nachricht eines Anschlags – wir werden uns ein Leben daran erinnern, wo wir uns zu diesem Zeitpunkt aufgehalten haben. Der Schock wich schnell der Sorge um Bekannte, Freunde, Verwandte, die sich in der Inneren Stadt zu diesem Zeitpunkt aufgehalten haben. Bald war es traurige Gewissheit, dass es auch Todesopfer zu beklagen gab.
An dieser Stelle daher ein großes Danke an die Wiener Polizei und die Wiener Behörden, die aufgrund der guten Zusammenarbeit rasch die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Wiener Bevölkerung eingeleitet und damit noch Schlimmeres verhindert haben. Die Ermittlungen sind zurzeit am Laufen.
Viele von uns haben Angst bzw. müssen mit der Angst ihrer nächsten Angehörigen – vor allem Kindern – und Freunden umgehen. Ich appelliere an Sie daher, die Einrichtungen des Psychosozialen Dienstes der Stadt Wien zu nutzen, damit Sie in dieser schweren Zeit Unterstützung haben.
Nach der 3 tägigen Staatstrauer ist es aber auch Zeit, positiv in die Zukunft zu blicken. Jetzt geht es darum Ihnen, liebe Wienerinnen und Wiener, wieder die Zuversicht zurückzugeben.
Zuversicht in Form des Sicherheitsgefühls, das Wien als einer der sichersten Städte der Welt ausmacht.
Der berühmte Zusammenhalt der WienerInnen ist dafür ganz essentiell. Wir lassen uns die Demokratie nicht destabilisieren. Wien war immer schon eine Stadt mit einer Friedensbotschaft. In den 70er Jahren erkannte das der damalige Bundeskanzler Bruno Kreisky und holte die UNO nach Wien. Wien ist damit im 75. Gründungsjahr der Vereinten Nationen einer von 4 UNO Sitzen weltweit und der einzige Sitz innerhalb der EU. Die Rolle Wiens als Friedensbotschafter will ich – einmal mehr unter dem Eindruck des 2. November – im Projekt Campus der Religionen fortsetzen. Die friedliche Koexistenz der Religionen ist ein wichtiger Schlüssel für eine friedliche Welt.
Ich weiß, dass Ihnen dieses Jahr schon sehr viel abverlangt wurde. Neben des furchtbaren Terroranschlags sind wir seit Monaten mit den Auswirkungen von Corona beschäftigt – aufgrund der massiv steigenden Infektionszahlen wurden die Maßnahmen wieder verschärft. Die Wienerinnen und Wiener haben sich seit Beginn der Pandemie mehrheitlich sehr diszipliniert verhalten, wofür ich auch ein großes Danke aussprechen möchte. Sowohl die gegenseitige Hilfe während des 1. Lockdowns als auch die selbstlose Hilfe bei der Versorgung von Verletzten am 2. November zeigen den sozialen Zusammenhalt in Wien auf, der uns von gesichtslosen Millionenmetropolen unterscheidet. Als Bürgermeister dieser Stadt macht es mich besonders stolz, dass dieser Zusammenhalt von allen Wienerinnen und Wiener getragen wird – egal welcher Religion oder Herkunft sie sind.
All diese Aspekte fließen in die laufenden Koalitionsverhandlungen mit den NEOS ein. Es soll eine Fortschrittskoalition sozial-liberalen Zuschnitts werden – ein Novum in der österreichischen Geschichte. Bis Mitte November wollen wir ein Programm für eine positive Zukunft Wiens präsentieren – dieses Programm soll auch eine starke Antwort auf die vielen Verwerfungen des Jahres 2020 sein. Wien ist stark durch seine Menschen. Von daher werden wir die Wienerinnen und Wiener mit unserer Politik bestmöglich unterstützen, damit sie weiterhin in der lebenswertesten Stadt der Welt leben können.
Alles Gute und bleiben Sie gesund!
Ihr
Dr. Michael Ludwig
Bürgermeister der Stadt Wien